Bernds Kolumne: Früher

Bernd Kuleisa

Liebe adh-Freunde!


Ja, früher, da war alles besser. Halt! Das stimmt nicht. Als ich Student war, hatte ich eine damals moderne „Ugly Stick“, irgendwie schon eine Fliegenrute, aber: Ein Schwabbelding, wirklich ugly, sage ich Euch! Solche Ungetüme gibt es heute gar nicht mehr. Zum Glück. Keine Fliegenfischer-Events, nur ganz wenige Fachgeschäfte mit Mini-Auswahl – also, hört auf mit der pauschalen Nostalgie.

Dann war’s vielleicht ganz früher vor 100 Jahren besser? Auch nicht. Die Fliegenrute (Gespließte), die Fliegenschnur (Seide) – das waren Produkte für die oberste Oberschicht.  Wahnsinnig teuer, einfach nicht machbar für normale Menschen. Fliegenfischen – ein Zeitvertreib für Herrn Chefarzt-Doktor-Doktor oder für den Adel. Oder Geldadel.

Fische, die gab es vielleicht im Durchschnitt mehr. Aale zum Beispiel, aber die bringen uns beim Fliegenfischen nicht weiter. Äschen? Ja, da war früher wirklich alles besser, muss man ehrlich sagen. Meerforellen und Lachse? Tja, da muss man genau hinsehen. Bei uns in Deutschland hat sich da viel zum Positiven getan. Ob die Lachse in absehbarer Zeit wirklich wieder eine Rolle spielen als Zielfisch, den man gezielt fangen kann, das sei dahingestellt. Macht aber auch nichts, denn Fakt ist: Es gibt sie wieder vermehrt, allen, die dafür sorgen, einen herzlichen Dank! Bei den Meerforellen sieht es noch erfreulicher aus. Es klappt bestens mit der Wiedereinbürgerung und zwar in vielen Flüssen vom Rheinland bis nach Schleswig-Holstein. Und wer eifrig fischt, fängt auch hin und wieder eine. Toll!
Einer der ersten Wiedereinbürgerer (und bis heute sehr aktiv) ist Hartwig Hahn aus Aukrug-Homfeld in Schleswig-Holstein. Ich kenne ihn seit 25 Jahren, die Arbeit rund um die Hege unserer Meerforellen und Lachse beschäftigt ihn aber bereits seit 40 Jahren! In diesem Jahr bekam er das Bundesverdienstkreuz für seine Tätigkeit, aber in gewissem Sinne auch stellvertretend für alle engagierten Angler, die sich um die Fische sorgen. Das ist großartig und sollte uns alle ein bisschen selbstbewusster machen. Wir leisten viel; man sollte auch darüber offensiv reden! Immer mehr Prominente bekennen sich zu unserer Leidenschaft. Es kommen viele neue dazu. Was ist populärer als Fußball? Nix. Deshalb ist es schön, wenn Horst Hrubesch „einer von uns“ ist (guter Fliegenfischer!), ebenso Patrick Owomoyela, den ich dieses Jahr kennen lernte (netter Kerl und ganz wild aufs Fliegenfischen) oder Miro Klose, der ein stiller, intensiver Genießer der Fliegen-Fischwaid ist, wie mir ein guter Freund vertraulich sagte. Es gibt wirklich viele echte Typen, auch knallharte Burschen, in unserer Zunft. Ich hörte unlängst zuverlässig, dass Rammstein-Frontmann Till Lindemann gern auf Meerforellen angelt. Hättet Ihr das gedacht?

Alles gute Nachrichten, keine fake news!
Das sollte man im Blick haben, wenn wir unsere heutige Situation bedenken. Vieles, sogar sehr vieles, ist heute besser als früher: die Ausrüstung, die Informationen (Internet, Zeitschriften, Bücher), die Reisemöglichkeiten und allgemein das Niveau der Fliegenfischer ist deutlich höher als einst. Die Zielfische früher: Forelle, Äsche, Lachs – aus. Heute: die Genannten, aber plus Hecht, Hornhecht, Karpfen, Barbe, Meeräsche, Döbel, Huchen, Bonefish, Tarpon und noch so vieles mehr.

Lamentieren ist leicht, das kann jeder. Freude empfinden, das will gelernt sein.
Manchmal hilft es, genauer hinzusehen.

Herzlichst, Euer
Bernd