Der Hecht ist für die meisten Fliegenfischer die Nummer 1 unter den heimischen Räubern. Das überrascht wenig, denn Hechte gibt es fast überall in Deutschland und Europa und man kann Esox lucius in einer Vielzahl unterschiedlicher Gewässer antreffen. Wir haben mit Steffen Schulz über den Boom des Hechtfischens gesprochen und den Raubfisch-Enthusiasten nach seinen persönlichen Tipps & Tricks gefragt. In den nächsten zwei Teilen dieses Interviews geht es um Barsch und Zander.
adh-fishing: Hallo Steffen! Wenn man deinem Instagram-Kanal (steffen_schulz_flyfish) oder deiner Webseite folgt, dann merkt man schnell, dass Raubfische deine absolute Leidenschaft sind. Vor allem unsere heimischen Räuber Hecht, Barsch und Zander haben es dir offensichtlich angetan. Woher kommt diese Leidenschaft für Raubfische?
Steffen Schulz: Hallo! Ich war in meiner Jugend als Berliner, der in einem Brandenburger Angelverein integriert war, bei den Sportfischern Krummensee, zum Stippen verdammt. Raubfischangeln war erst ab 14 Jahren erlaubt. Die Magie um den Raubfisch wurde so nur noch mehr geschürt. Nach den ersten Fängen zog mich die Kunstköderangelei total in ihren Bann. Fakt ist: Große Raubfische zu fangen, egal welchen, ist sau schwer. Das macht den Reiz aus.
adh-fishing: Viele deiner Abonnenten kennen dich als Autor für diverse Angelmagazine, für die du bereits lange vor deiner Zeit als Fliegenfischer geschrieben hast. Wie bist du zum Fliegenfischen gekommen und welchen Stellenwert nimmt es heute gegenüber dem Spinnfischen ein?
Steffen Schulz: Mittlerweile kann ich nur noch die Fliegenrute anfassen, ja, das ist richtig. Beim Jiggen, Twitchen usw. habe ich kein Gefühl mehr und der Spaß ist mir daran auch total vergangen. Mal sehen wie lange. Fliegenfischen ist am Ende so unfassbar simpel. Rute, Schnur, irgendeine Rolle, Vorfach, zwei bis drei Streamer, mehr nutze ich das ganze Jahr über kaum auf unsere Raubfische, fertig. Das schlimmste ist, die Fliege ist, sobald sie beim Fisch ist, fast immer jedem Kunstköder überlegen. Fliegenfischen ist, so komisch es klingt, auch eine Einstellungsfrage. Man ist begrenzter was die Plätze angeht (zum Beispiel Wind von Vorne beim Uferfischen etc.), aber ich zieh es dennoch durch, als Fliegenfischer, weil es einfach Laune macht, mit der Fliegenrute zu fischen.
adh-fishing: In den ersten Jahren hat das Spinnfischen das Fliegenfischen auf Hecht stark beeinflusst. Heute gibt es auch Einflüsse in die andere Richtung. Wie siehst du diese Entwicklung?
Steffen Schulz: Ich belächel gern meine Kumpels, die sich einen Streamer an ihr Chebu- oder C-Rig hängen, oder Fliegen zum Spinnfischen kaufen. Fängt alles, keine Frage aber gegen einen Fliegenfischer mit Streamer stinken sie am Ende eh ab. Versprochen.
adh-fishing: Wo siehst du die Vorteile des Fliegenfischens, insbesondere bei der Fischerei auf Hecht, Barsch und Zander?
Steffen Schulz: Ganz klar bei der langsamen Präsentation. Große Fische lieben langsame Köder und das fast immer. Nichts ist lautloser und langsamer als ein Streamer. Ok, ein Köfi natürlich. Mit dem Streamer ist man lautlos und lange am Spot und am Fisch. Das lieben die Räuber. Zudem lernt derjenige, der mit dem Streamer fischt, seine Angelplätze ganz genau kennen. Schnell fischen geht eh nicht, also angelt man konzentriert an seinem Platz.
adh-fishing: Du fischst sehr viel vom Bellyboot. Worin besteht hier der besondere Reiz für dich und was empfiehlst du jemandem, der sich sein erstes Bellyboot zulegen möchte?
Steffen Schulz: Ich habe sogar mein richtiges Angelboot verkauft, als ich mit dem Fliegenfischen angefangen habe. Eben darum, weil ich mich nur vom Bellyboot milimetergenau am Spot, einer Kante z.B., positionieren kann und diese Struktur gaaaaanz sauber abfischen kann. Es driftet nichts, es treibt nichts, ich habe die volle Kontrolle über den Spot und meinen Streamer. Mein Tipp: Kauft euch ein Modell mit Rudern oder investiert in einen Motor. Oder eben klassisch, wenn ihr auf größeren Gewässern angeln wollt. NUR Paddeln nervt schnell. Macht es euch einfacher. Wenn ihr eh schon Spots habt und kleinere Gewässer, dann könnt ihr jedes Bellyboot nehmen. Gute Flossen sind wichtig, das spart Kraft. Davon abgesehen würde ich aber auf aufblasbare Sitze achten, das ist um einiges bequemer und hier verformt sich der Sitz nie. PVC Bellys sind aus meiner Sicht auch besser, sicherer und trocknen schnell. Zum Beispiel von Seven Bass.
adh-fishing: Der Hecht ist für viele der interessanteste heimische Raubfisch - vielleicht auch, weil er besonders groß abwächst. Hier braucht es spezielles Gerät. Was verwendest du persönlich?
Steffen Schulz: Zu Beginn habe ich immer 10er Ruten gefischt. Mittlerweile nutze ich nur noch 8er Salzwasserruten. Leicht, schlank, straff. Reicht, da ich persönlich eh keine Wiggletailfliegen oder riesige Streamer fische und selten mit Hindernissen oder Kraut zu kämpfen habe. Wer ganz gezielt nur einen riesigen Hecht fangen will, der sollte Fliegen ab 20 cm nutzen und eine 9er bis 10er Rute fischen. Eine 9er ist wohl die Allround-Rute heute.
adh-fishing: Wie sieht denn dein persönliches Setup im Moment aus?
Steffen Schulz: Derzeit fische ich am liebsten eine Hardy Zephrus SWS #8 oder Hardy HBX #8 in Kombination mit einer 7000er MTX-S. Bei den Schnüren haben es mir zwei Marken angetan: Cortland und Vision. Von Cortland nutze ich gerne die Compact Sink Typ 3. Die ideale Allroundschnur für mich! Von Vision mag ich die Grand Daddy Sink4 und Sink7 sehr gerne. Wenn es etwas tiefer gehen soll.
adh-fishing: Auch das Vorfach ist beim Hechtfischen spezielle. Kannst du uns deine Montage verraten?
Steffen Schulz: Als Vorfach nehme ich derzeit gerne 0.80 FC von Stroft, hält super und geht beim Werfen usw. nicht plötzlich kaputt. Ich nehme um die 50cm und knote es an 0.40er oder 50er Fluo. Ich persönlich quetsche nie etwas, alles wird geknotet. Aber man muss das Vorfach sofort einkürzen, sofern es einen Cut hat. Mein Kumpel Bertus Rozemeijer schwört seit Jahren auf diese Montage. Vertraue ihm da gerade. Bei vielen Hechtkontakten (wie z.B. auf Rügen) setze ich gern auf 10kg und 14kg Stroft Niti Polywire. Kann man ebenfalls hervorragend knoten! Und hier ist man 100% vor den scharfen Zähnen geschützt.
adh-fishing: Viele Fliegenfischer binden ihre eigenen Hechtstreamer. Du greifst gerne auch auf Muster namhafter Hersteller zurück. Kannst du uns ein paar deiner Favoriten verraten?
Steffen Schulz: Vorweg: ich würde gern binden, habe mir auch mal alles bei euch besorgt und angefangen. Aber: keine Zeit! Daheim ist nur Familienzeit, auch abends. Ich geh lieber angeln anstatt zu binden. Wenn die Kids groß sind, binde ich ganz sicher. Aber zurück zur Frage. Für Hecht: Pike Terror Flies schwarz und gold. DER KILLER, kein Streamer ist besser in meinen Augen. Die größte Version des Salty Baitfish von Fulling Mill in den drei Dekoren ist ebenfalls unschlagbar, gerade dann, wenn die Pikes kleinere Rotaugen fressen. Hiermit habe ich zuletzt sehr gute Erfahrungen gemacht.
adh-fishing: Hechte kommen in diversen Gewässern vor - Kanälen, Seen, Flüssen, Talsperren etc. Welche Gewässer bevorzugst du und wie sehen deine Taktiken für die einzelnen Gewässertypen aus?
Steffen Schulz: Talsperren sind lästige, zickige Gewässer für Hechte mit der Fliegenrute - aber ich liebe sie. Hier fische ich am liebsten im Frühjahr ausgedehnte Flachwasserbereiche ab, die in der Nähe von sehr tiefem Wasser liegen. Meistens sind es Landnasen. Kanäle meide ich, mag ich einfach nicht und es sind auch meistens die weniger guten Hechtgewässer. Wer einen guten Kanal kennt, schreibt mir bitte :) ! Am meisten fische ich an holländischen Seen oder am Bodden auf Hecht. Ich gebe zu, dass ich fast ausschließlich an Kanten zu tiefem Wasser auf Hechte fische. Auch am Bodden konzentriere ich mich auf Bereiche, wo tiefes Wasser nah ist. Ich glaube, dass tiefes Wasser plus Strukturen und große Hechte oft Hand in Hand gehen. Genau das ist die perfekte Spielwiese für bellybootfischende Fliegenfischer. Man wirft die Kante vom tiefen Wasser an oder stellt sich parallel und fischt sie sauber aus. Das funktioniert in Holland das ganze Jahr über hervorragend. An Talsperren ist das ganz anders, da die Hechte hier nach dem Laichen alle ins Freiwasser ziehen. Zumindest die großen Fische. Sie dort zu befischen geht, ist aber je nach Gewässer extrem zäh und zeitaufwendig. Für diese Angelei braucht man eine Fliegenschnur mit Sink3 und Sink7 Spitze, am Bodden setze ich auf (klare) intermediate Schnüre. Es ist einfach alles so natürlich und einfach, das liebe ich am Fliegenfischen.
adh-fishing: Je nach Land und Bundesland kann man den Hecht beinahe ganzjährig befischen. In den Niederlanden beginnt die Schonzeit beispielsweise erst am 1. April und am 1. Mai kann man an vielen Deutschen Gewässern schon wieder loslegen. Was ist deine favorisierte Jahreszeit und wie stellst du deine Techniken/Taktiken über das Jahr gesehen um?
Steffen Schulz: Ein wenig hatte ich es ja eben schon angesprochen: In Holland, so hart es klingt, kann man das ganze Jahr über nahezu das gleiche tun, wenn man große Seen befischt. Angel an den Kanten und du fängst. Wer gern in Häfen fischt, der hat im Herbst und Winter dort die besten Chancen. Ich fische im Winter teilweise extrem langsam mit sehr langen Haltephasen. Das mache ich im Sommer und im frühen Herbst nicht. Oft ist dann mehr Geschwindigkeit gefragt. Ich fische Streamer von 20 is 25 cm meistens eher in kaltem Wasser. Im Sommer und Herbst setze ich auf Streamer von 12 bis 18 cm. In der kalten Jahreszeit fische ich zudem viel härter am Grund und trolle die Fliege im Bellyboot hinter mir her, strippe ab und zu an, halte sie wieder und paddel langsam. Ich fische Spots länger aus, im Sommer und Herbst mache ich viel mehr Strecke.
adh-fishing: Wenn du nur einen Gewässertyp für Hecht befischen dürftest, welcher darf es für dich sein?
Steffen Schulz: Puh, die Bodden oder holländische, große Seen...??? Ich nehme die Seen in Holland. Die Gewässer sind einfach traumhaft für die Fliege, riesig, strukturreich und so unglaublich vielfältig. Von Nordholland bis Südholland sind überall ganz unterschiedliche aber für die Fliege perfekte Gewässer. Die Boddenangelei von Oktober bis Februar ist auch genial aber auf Dauer ist es dort auch zu einfach und langweilig. Ich brauche immer wieder neue Gewässer und Gewässertypen mit diversen Strukturen. Das macht es schwieriger aber auch spannender im Jahresverlauf. Schweden wäre auch genial, da fängt man sogar auf bunte, knallige Fliegen mit Wiggletails Fische, so voll steht es da!
adh-fishing: Das Hechtfischen ist für viele Angler der Einstieg in die Fliegenfischerei. Was rätst du einem „Anfänger“ zu einem erfolgreichen Start?
Steffen Schulz: Investiere Geld in eine gute Sinkschnur! Die Rolle ist dagegen nicht ganz so wichtig. Sie dient primär als Schnurspeicher. Ganz salopp gesagt. Eine starke Bremse ist hier weniger wichtig als beispielsweise beim Salzwasserfischen. Eine nicht zu straffe Rute, die Wurffehler verzeiht, macht auch Sinn. Mit einer Länge von 9ft. und von Klasse #8 bis #10. Mit einer 9er bist du am breitesten aufgestellt. Dann brauchst du noch genau DREI Streamer. Den oben angesprochenen goldschwarzen, einen grauweißen und einen fluogrün weißen, alle so um die 15 bis 18 cm. Wer damit keinen Hecht fängt, der fängt ihn auch auf keinen anderen Streamer.
adh-fishing: Vielen Dank, Steffen, für deine Tipps & Tricks. Wir wünschen dir weiterhin viele dicke Hechte und freuen uns auf deine Fotos und Berichte! Und natürlich darauf, was du uns über Barsch und Zander erzählen kannst. Tight Lines!