Der Start in die Forellensaison ist ein Ereignis, auf das Fliegenfischer viele Wochen hinfiebern. Damit die Eröffnung aber nicht nur frische Luft, kalte Füße und einen Schnupfen bringt, kann es sich bei den ersten Ausflügen lohnen, unkonventionelle Wege einzuschlagen. Unser Mitarbeiter Alexander Keus (Autor von „Nymphenfischen - Geheimnisse entlarvt“) kennt diese Wege und hat ein paar hilfreiche Tipps und Tricks für einen erfolgreichen Start zusammengestellt.
Wir alle kennen diese ganz spezielle Situation, die einmal im Jahr auf uns wartet. Für die meisten ist es Anfang oder Mitte März, für einige Anfang April und manch einer muss sogar bis in den Mai auf diesen Moment warten: Der erste Tag der Forellensaison. Vor uns liegt an diesem Tag „unser Fluss“. Jener Fluss, den wir ein paar Monate zuvor das letzte Mal mit Watschuhen betreten haben. Einiges hat sich seitdem verändert. Die Ufer sind karg und farblos. Kaum Blätter an den vielen Bäumen. Vom letzten Hochwasser noch plattgedrückt, ist das ehemals saftige Gras nun ganz blass. Noch keine Spur vom dichten Springkraut. Ja, sehr viel hat sich verändert, seitdem hier im warmen Herbstlicht die letzte steigende Bachforelle gefangen wurde. Stürme haben wichtiges Totholz eingebracht und neue Standplätze gebildet. Sogar der Lauf des Flusses hat sich stellenweise womöglich verändert.
Auch wenn alles auf den ersten Blick irgendwie trostlos wirkt, hat sich eines über den langen Winter aber nicht verändert: Die vielen rotgetupften Schönheiten! Sie sind immer noch da, müssen nur neu gefunden werden. Und dies bedarf Anfang des Jahres einiger Anpassungen, denn die Pegel sind üblicherweise erhöht, die Wassertemperaturen hingegen niedrig. Der Stoffwechsel der Salmoniden läuft daher noch nicht auf vollen Touren und es darf nicht erwartet werden, dass sie weite Strecken zurücklegen, um an Nahrung zu gelangen. In dieser Jahreszeit muss der künstliche Köder also den Weg zum Fisch finden, nicht umgekehrt.
Wo findet die Fliege den Fisch?
Zu Beginn der Saison werden die meisten Bachforellen im Energiesparmodus träge am Grund stehen und sich nur selten ins Freiwasser bewegen. Dort unten hat das Wasser die geringsten Temperaturschwankungen. Zudem gibt es insgesamt noch deutlich weniger ausgeprägte und regelmäßige Schlüpfe als bereits Mitte April. Der Stieg zur Wasseroberfläche als Alternative zur Nahrungsaufnahme am Grund ist oftmals nur während der wärmsten Tageszeit, am frühen Nachmittag, zu beobachten. Die interessantesten Stellen für Fisch und Fischer werden daher die tieferen Pools und Rinnen sein. Ist der Wasserstand erhöht, stellen zudem die unmittelbaren Randbereiche attraktive Standplätze dar. Unterspülte Ufer und dichtes Wurzelwerk, aber auch große Steine oder Mauern, bieten sicheren Schutz vor starkem Wasserdruck und beherbergen nicht selten große Überraschungen.
Um diese Stellen effektiv zu befischen, fällt die Wahl klugerweise zunächst auf die Nymphe. Mit ihr besteht die Möglichkeit, jede Tiefe systematisch absuchen zu können. Auch wenn das Wasser getrübt sein sollte, ist eine Präsentation stromauf vorteilhaft. Denn auf diese Weise können Flugschnur und Vorfach einfacher kontrolliert werden und man kann sich dem Fisch außerhalb seines Sichtfeldes leicht nähern. Gerade wenn es darum geht die Nymphe tief anzubieten, sollte möglichst wenig Distanz zwischen dem eigenen Standort und dem vermeintlichen Standplatz des Fisches überbrückt werden müssen. Dies hat auch etwas mit dem Gewicht der Nymphe zu tun, denn ein stärker beschwertes Muster zu werfen, macht weit weniger Freude, als mit einer Trockenfliege enge Schlaufen in die Luft zu zaubern. Auch aus diesem Grund empfiehlt sich der Verzicht auf Leerwürfe. Tiefe und natürliche Driften stehen stattdessen im Fokus, denn anders als in den Folgemonaten und bei deutlich aktiveren Flossenträgern, muss das Muster im Schnitt öfter angeboten werden, bis der erhoffte Biss erfolgt. Hartnäckigkeit ist hier das Stichwort und Ausdauer wird oftmals belohnt!
Wie findet die Fliege den Fisch?
Bei dieser Suchfischerei stromauf kommt man am einfachsten auf Tiefe, indem die Nymphe an einem unverjüngten oder lediglich einmal verjüngten Stück Monofil oder Fluorocarbon und mit einem Tuck Cast geworfen wird. Die kurze Überkopfbewegung wird hierfür an einem frühen Stoppunkt (etwa bei 12Uhr) abrupt beendet. Dadurch schlägt die Nymphe um und prallt senkrecht auf die Wasseroberfläche. Ohne, dass das Vorfach in voller Länge von der Strömung erfasst und der Tauchgang zwangsläufig verlangsamt wird. Bei dieser Präsentationstechnik auf kurze Distanzen ist es nach dem hohen Stop und dem „Plop“ der Nymphe unbedingt erforderlich, keine Spannung auf das Vorfach zu erzeugen. Dafür wird die Rutenspitze ganz einfach aus der erhöhten Position leicht abgesenkt. Je geringer die Spannung auf dem Vorfach dabei ist, umso schneller wird die Nymphe auch die aussichtsreichen, tiefen Standplätze am Grund erreichen. Das Ankommen am Flussgrund wird durch ein Zucken des Vorfachs angezeigt. Im besten Fall sollte dieser Punkt jedoch antizipiert und ein tatsächliches Aufsetzen – auch zur Reduktion von Hängern – vermieden werden. Dieses Vorgehen hat nicht nur den Vorteil, dass die Nymphe auch bei starker Oberflächenströmung zügig in die Fresszone der Bachforellen gelangt, sondern auch Drift und Bisserkennung – gänzlich ohne klassischen, schwimmenden Bissanzeiger – deutlich verbessert werden. Hierfür sind zwei Dinge verantwortlich:
Erstens ist die Fließgeschwindigkeit des Flusses nicht über die gesamte Wassersäule hinweg gleich. Insbesondere bei erhöhtem Pegel ist der Unterschied zwischen der Strömung am Grund und der Strömung an der Oberfläche immens. Soll nun eine tiefere Passage befischt werden, würden herkömmliche Bissanzeiger, die auf dem Wasser treiben (beispielsweise gefettetes Garn oder Styroporkörper), eine Art „Anker“ bilden. Dieser Anker würde die Geschwindigkeit, in der die Nymphe abtreibt, beeinflussen. Oder konkret: Unnatürlich beschleunigen. Fatal, hat man es doch mit weniger aktiven Bachforellen zu tun, die noch am Grund klebend möglichst wenig Energie aufwenden, um an Nahrung zu gelangen. Das gestreckte Vorfach alleine ist weit weniger anfällig als diese Anker und gibt stattdessen tatsächliche Auskunft über Geschwindigkeit und Tiefe der Drift. Es ist interessant zu beobachten, wie viel langsamer sich das punktuell eintauchende Monofil im Gegensatz zu einem schwimmenden Bissanzeiger stromabwärts bewegt. Abhängig von Wassertiefe und Distanz zum Zielfisch, kann der Eintauchwinkel des Vorfachs zwischen 90° und ca. 40° variiert werden. Dabei gilt: Umso näher vor den Füßen und umso tiefer gefischt wird, desto senkrechter der Eintauchwinkel. Je größer hingegen der Abstand und je flacher das Wasser, desto kleiner auch der Winkel.
Befindet sich die Nymphe in der richtigen Tiefe und wird in der dort angemessenen Geschwindigkeit angeboten, werden mit dieser Methode zweitens auch vorsichtige Bisse leicht erkennbar. Denn ist das Vorfach gestreckt, sind die beiden Punkte „Rute“ und „Köder“ also auf kürzestem Weg miteinander verbunden, werden selbst feinste Impulse deutlich übertragen und in der Rutenhand wahrnehmbar. Die Bisserkennung erfolgt demnach im Unterschied zu vielen anderen Techniken nicht vorrangig visuell, sondern muss erspürt werden. Auch wenn sich Veränderungen der Drift für das geübte Auge, ob nun Hänger oder Biss, auch am Vorfach ablesen lassen.
Welche Fliege findet den Fisch?
Die Wahl der passenden Muster für diese Fangmethode ist von drei Prämissen bestimmt. Zum einen muss die Nymphe ausreichend schwer sein, um auch bei schnellem Wasser den Grund zügig erreichen zu können. Daher werden hier hauptsächlich Tungstenköpfe als Beschwerung verwendet. Zusätzliches Schrotblei ist bei korrekter Ausführung von Wurf und Köderführung hingegen überhaupt nicht erforderlich! Der Einsatz eines Jig-Hakens, dessen Spitze während der Drift nach oben zeigt, reduziert zwar Hänger, ist aber nicht unbedingt notwendig. Zum anderen wird das Abtauchen durch eine schlanke, kompakte Bindeweise mit sparsamem Materialeinsatz enorm unterstützt. Damit die Nymphe neben ihrer klaren Silhouette außerdem ein attraktives Spiel entwickeln kann, sind Muster mit einer spärlichen Hechel aus weicher Entenbürzel- (CDC) und Rebhuhnfedern empfehlenswert. Da das Wasser zum Saisonbeginn oftmals weniger sichtig ist, besitzen typische Nymphen für diese Situationen drittens einen Reizpunkt, einen sogenannten „Hot Spot“: Beispielsweise einen fluoreszierenden Kragen aus lackierter Bindeseide oder einen Thoraxbereich aus lichtreflektierendem Dubbing. Davon abgesehen sind typische Muster für den Saisonstart eher dunkel gehalten, um auch im trüberen Wasser einen hohen Kontrast herzustellen. Abhängig vom Durchmesser der jeweiligen Tungstenperle (2.5mm – 3.5mm) können solche Muster auf Hakengrößen 12 bis 16 gebunden und nach eigenem Geschmack variiert werden.
Wie sieht die Montage aus?
Das Vorfach bei dieser Präsentationstechnik besteht lediglich aus zwei Stücken möglichst dehnungsarmem Monofil oder Fluorocarbon mit einem Durchmesser von 0.35mm und 0.25mm. Dabei ist der dickere Teil etwa doppelt so lang wie der dünnere, insgesamt etwa Rutenlänge. Und wer es sich ganz leicht machen möchte, der nimmt einfach ein Stück unverjüngtes Monofil, z.B. das Stroft Color in 0.25mm. Das Tippet wird dann in Abhängigkeit vom Wasserdruck zwischen 0.14mm und 0.18mm gewählt und sollte nochmals 1 ½ Mal so lang sein wie die Wassertiefe. Als Sichthilfe kann zwischen Tippet und Vorfach ein ca. 20cm langes Stück fluoreszierendes Monofil in passender Stärke geknotete werden (etwa die zweifarbigen Sighter von Soldarini oder Scientific Anglers, etwa in 0.20mm). Dieses farbige Monofil erleichtert die visuelle Erkennung der Bisse, ist aber für die Präsentation nicht zwingend erforderlich. Neben dieser einfachen und günstigen Montage gibt es natürlich eine Vielzahl vorgefertigter Leader, die speziell für diese Fangmethoden zusammengestellt wurden - z.B. von Hends oder ebenfalls von Soldarini.
Und wenn das nicht reicht?
Wird die auf diese Weise langsam und tief präsentierte Nymphe (vergleichbar zum „Euro Nymphing“) dennoch verschmäht, kann die gleiche Präsentationstechnik auch mit Streamern durchgeführt werden. Die Montage wird lediglich um das dünne Tippet und die Sichthilfe gekürzt und der Köder direkt mit einem Schlaufenknoten am Mono befestigt. Im Gegensatz zur klassischen Fischerei mit Streamern querab zur Strömung – bei der die Bachforellen den Köder vornehmlich IM oder NACH dem Swing und oftmals nach mehreren Metern der Verfolgung nehmen – können damit auch träge Großforellen zum Biss verleitet werden. Denn ein vermeintlich verwundetes Fischlein im unmittelbaren Sichtfeld ist selbst für noch wenig aktive Rotgetupfte einfach zu attraktiv.
Die eigentliche „Dead Drift“ des Streamers stromauf am eigenen Ufer kann zusätzlich mit leichten Impulsen kombiniert werden. Ein sanftes Heben und Senken der Rutenspitze reicht vollkommen aus, um dem Streamer Leben einzuhauchen und dem weichen Bindematerial (z.B. Kaninchenfell) verführerisches Spiel zu verleihen. Nicht selten werden die Fische früh im Jahr mit der Aussicht auf einen großen Happen so doch noch aus ihrer Winterstarre gelöst.
Wenn wir zu Beginn der Saison also wieder am kargen Fluss stehen, nach der langen Wartezeit endlich frische Luft atmen und uns fragen, wo sich die Bachforellen nach dem Winter versteckt halten und wie sie aus der Tiefe oder dem sicheren Unterstand am Ufer gelockt werden können, dann sollten wir für einen Augenblick konventionelle Techniken vergessen. Vergessen wir auch einen Moment herkömmliche Bissanzeiger. Vergessen wir bis zum wärmeren Nachmittag auch die Trockenfliege und schöne, lange Würfe mit der Flugschnur. Wir sollten den erhöhten Pegelstand und die schnellere Fließgeschwindigkeit hingegen zu unserem Vorteil nutzen, um uns den besten Standplätzen unmittelbar zu nähern und es mit einer schweren Nymphe oder einem Streamer stromauf an einem gestreckten Vorfach versuchen. Nahe des Grundes. Denn dort wird man schon beim Saisonstart fündig werden und weit mehr fangen, als kalte Füße und einen Schnupfen.
Wir wünschen euch einen guten Saisonstart und Tight Lines!